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Die Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern im Wettbewerbsrecht
Ein praxisrelevantes Problem im Wettbewerbsrecht ist, ob jemand als Unternehmer oder Verbraucher handelt. Die Abgrenzung im Überblick.

25. Mai 2020

Abgrenzung Unternehmer Verbraucher Wettbewerbsrecht
(Bild: Maciejbledowski)

Egal, ob man selbst auf Plattformen wie eBay aktiv wird, von einem Verkäufer etwas erwirbt oder gar unlauteren Angeboten von Dritten begegnet: Eine der wichtigsten Fragen um zu klären, welche eigenen Rechte einem zustehen ist, ob der andere als Verbraucher oder Unternehmer handelt. 

Gerade für potenzielle Mitbewerber ist es unerlässlich diese Abgrenzung vorzunehmen, bevor an weitere Maßnahmen (z.B. Abmahnung und Einstweilige Verfügung) gedacht werden kann. Denn mit der Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern stehen und fallen nahezu alle Ansprüche im Wettbewerbsrecht: Vom Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bis zum Schadensersatz.

Abgrenzung von Verbrauchern und Unternehmern im Wettbewerbsrecht in der Rechtsprechung

Um die abstrakte Differenzierung von Verbrauchern und Unternehmern auf einen Fall übertragen zu können, hat die Rechtsprechung eine Vielzahl von Kriterien entwickelt, die zur Beantwortung dieser Abgrenzung herangezogen werden können. Anhaltspunkte für eine unternehmerische Tätigkeit sind, nach einer Entscheidung des EuGH dabei u.a. ob: 

  • der Verkauf über die Plattform planmäßig erfolgte; 
  • mit dem Verkauf Erwerbszwecke verfolgt wurden; 
  • der Verkäufer über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm angebotenen Waren verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise verfügt, so dass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet; 
  • der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt; 
  • in welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkäufers zusammenhängt; 
  • der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist; 
  • der Verkäufer, der im Namen oder Auftrag eines bestimmten Unternehmers oder durch eine andere Person auftritt, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, eine Vergütung oder Erfolgsbeteiligung erhalten hat; 
  • der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht; 
  • die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind oder den gleichen Wert haben; 
  • sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert. 

(EuGH v. 4. Oktober 2018, Az.: C-105/17 – Kamenova) 

Anhaltspunkte für Unternehmereigenschaft sind nicht abschließend

Diese Indizien sind weder abschließend noch ausschließlich. Ebenfalls teilweise als Anhaltspunkte hinzugezogen werden folgende Aspekte: 

  • Eine professionelle Darstellung der Angebote (z.B. professionelle Produktfotos, gestalteter Webshop etc); 
  • Angabe von Informationen, die normalerweise nur Unternehmer tätigen (z.B. Hinweis auf OS-Plattform, Angabe der Ust.-ID); 
  • Der Account wird ansonsten ebenfalls (auch) gewerblich genutzt. 

Von der Rechtsprechung als Anhaltspunkt abgelehnt wurde z.B. ein “neutraler” Username / Nickname. Dies lässt keinen Rückschluss auf ein privates Handeln zu (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 30. Juli 2008, Az. 5 U 397/08).

Beispiele für die Abgrenzung von Verbrauchern und Unternehmern im Wettbewerbsrecht

Die Rechtsprechung hat sich bereits in vielen Fällen mit der Frage der Abgrenzung vom Verbraucher zum Unternehmer auseinandersetzen müssen. Die aufgezeigten Anhaltspunkte – und einige Punkte mehr – haben daher zu einer umfangreichen Rechtsprechung geführt, die zumindest Anhaltspunkte dafür liefert, wie eine Einzelfallabwägung ausfallen könnte:

  • BGH, Urteil v. 4. Dezember 2008, Az.: I ZR 3/06
    Gewerblich bei 91 Verkäufen innerhalb von 5 Wochen 
  • OLG Hamm, Urteil v. 17. Januar 2013, Az.: 4 U 147/12
    Unternehmereigenschaft, wer eine schenkweise überlassene größere Anzahl von Gegenständen besonders einträglich nach und nach im Fernabsatz verkaufen will (hier: 60 Bewertungen in einem Jahr und Verkauf von 250 gleichartigen und neuwertigen Akkus). 
  • OLG Hamm, Urteil v. 21. August 2012, Az.: I-4 U 114/12
    Unternehmereigenschaft bei 129 Bewertungen in 6 Monaten 
  • OLG Hamm, Beschluss v. 5. Januar 2012, Az.: I-4 U 161/11 PKH: 
    Unternehmereigenschaft bei 80 Angeboten von Elektrogeräten innerhalb von 4 Monaten 
  • OLG Hamm, Urteil v.15. März 2011, Az.: I-4 U 204/10
    Unternehmereigenschaft bei über 500 Angeboten in ca. 6 Wochen; 26 Bewertungen pro Monat als Indiz für Gewerblichkeit 
  • OLG Hamburg, Beschluss v. 27. Februar 2007, Az.: 5 W 7/07
    Unternehmereigenschaft bei 242 Bewertungen innerhalb von zwei Jahren und dabei Werbung mit „Tonnenweise Hardware“ 
  • LG Dessau-Rosslau, Urteil v.11. Januar 2017, Az.: 3 O 36/16:  
    Unternehmereigenschaft, sofern dauerhaft pro Monat jedenfalls zwischen 15-25 Verkäufe getätigt werden und zusätzlich die einzelnen Angebotsseiten professionell gestaltetet sind. 
  • LG Hamburg, Beschluss v.10. Dezember 2014, Az.: 310/0 394/14: 
    Unternehmereigenschaft bei 499 Bewertungen die allesamt für gleichartige Produkte (hier: Tonträger) erfolgten, davon 261 Bewertungen innerhalb der letzten 6 Monate. 
  • LG Coburg, Urteil v.19. Oktober 2006, Az.: 1HK O 32/06:  
    Auch bei 1711 Bewertungen seit Mitgliedschaftsbeginn bei eBay kann ein privates Handeln vorliegen. 
  • LG München, Urteil v. 7. April 2009, Az.: 33 O 1936/08
    Handel mit teuren Waren (Einzelpreis ab 500,00 €) und die Möglichkeit von Besichtigungsterminen sprechen für unternehmerische Tätigkeit. 

Beispiele für die Abgrenzung beim Käufer

Aber nicht nur beim Verkäufer kann fraglich sein, ob er als Unternehmer gehandelt hat, sondern auch beim Käufer:

  • BGH, Urteil v.30. September 2009, Az.: VIII ZR 7/09
    Kanzleianschrift des Käufers als Rechnungs- und Lieferadresse alleine noch kein zweifelsfreier Beweis für Unternehmereigenschaft 
  • AG München, Urteil v.10. Oktober 13, Az.: 222 C 16325/13
    Unternehmereigenschaft, wenn als Kundenname ein Unternehmen und darunter der Name des Inhabers angegeben ist – auch dann, wenn Lieferung an Privatanschrift und Bezahlung von Privatkonto erfolgt. 
  • AG Münster: Entscheidung v. 6. Februar 2007, Az. 6 C 4090/06
    Unternehmereigenschaft, wenn Lieferanschrift die Anschrift des Geschäfts, Bestellung mit E-Mail-Adresse dieses Geschäfts getätigt und die Ware von einem Geschäftskonto bezahlt wurde – auch dann, wenn nicht das Geschäft, sondern nur eine Privatperson als Vertragspartner genannt wurde. 

Beweislast: Wer die Abgrenzung von Unternehmer und Verbraucher im Wettbewerbsrecht beweisen muss

Auch in wettbewerbsrechtlichen Verfahren gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder diejenigen Tatsachen zu beweisen hat, die für ihn vorteilhaft sind. Bei der Frage, ob ein Verkäufer, z.B. auf eBay, als Privatperson oder als Unternehmer gehandelt hat, ist es daher zumeist Sache des Käufers oder Mitbewerbers, den Status des Verkäufers zu beweisen.  

Weil es mitunter sehr schwer sein kann, diesen Beweis zu führen, gibt es einige anerkannte Fälle, in denen eine sogenannte Beweislastumkehr anerkannt ist. Das wohl prominenteste Beispiel sind die sog. “Powerseller” auf eBay: Hier wird vermutet, dass es sich bei Verkäufern, die das “Powerseller-Prädikat” erhalten haben, um Unternehmer handelt. Ist der “Powerseller” der Ansicht, dass er kein Unternehmer, sondern lediglich Verbraucher ist, so muss er nun beweisen, dass dies zutrifft. 

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Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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