Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten sind häufig Verstöße gegen Marktverhaltensregeln. Wann genau eine gesetzliche Vorschrift als solche Marktverhaltensregel gilt, ist regelmäßig umstritten. In dieser nicht abschließenden, aber stetig aktualisierten, Liste von Beispielen zu Marktverhaltensregeln im Wettbewerbsrecht versuchen wir die relevante ergangene Rechtsprechung zu ordnen und darzustellen.
Produktspezifische Vorschriften als Marktverhaltensregeln im Wettbewerbsrecht
Quecksilbergehalt in Energiesparlampen:
Die in § 5 Abs. 2 ElektroG aF (jetzt § 3 ElektroStoffV) in Verbindung mit Anhang II der RL 2011/65/EU festgelegten Grenzwerte für den Quecksilbergehalt in Leuchtstoffröhren haben auch verbraucherschützende Funktionen und sind als Marktverhaltensregel zu qualifizieren (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30. Januar 2015, Az.: 4 U 266/13).
Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und in § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltenen Stoffverbote stellen, soweit sie auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz dienen, Marktverhaltensregelungen dar (BGH, Urteil v. 21. September 2016, AZ.: I ZR 234/15).
Vorschriften der Länderbauordnungen
Bei den Vorschriften der §§ 24, 28 NBauO, nach denen die Verwendung nicht geregelter Bauprodukte die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung sowie den Nachweis der Übereinstimmung des konkreten Produkts mit der Zulassung voraussetzt, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen (BGH, Urteil v. 20. Oktober 2005, Az.: I ZR 10/03).
Verbot der Werbung für im Inland nicht zugelassene Arzneimittel
Die Bestimmungen der § 21 Abs. 1 AMG, § 3a Satz 1 HWG, nach denen grundsätzlich nur zugelassene Arzneimittel in den Verkehr gebracht und beworben werden dürfen, stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar (BGH, Urteil v. 25. Juni 2015, Az.: I ZR 11/14).
Verbot irreführender Werbung für Arzneimittel
Bei § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 HWG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (BGH, Urteil v. 7. Mai 2015, Az.: I ZR 29/14).
Beschränkung der Werbung für Tabakerzeugnisse
Die Vorschrift des § 19 Abs. 3 TabakerzG ist, ebenso wie seine Vorgängerregelung des § 21a Abs. 4 VTabakG, eine Marktverhaltensregel (OLG Koblenz, Urteil v. 14. August 2019, Az.: 9 U 825/19).
Kennzeichnungs- und Informationspflichten bei Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln, Getränken und sonstigen Nährmitteln
Die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 7Abs. 2 LMKV, § 5 Abs. 7 NKV) sind Marktverhaltensregelungen (BGH, Urteil v. 22. November 2012, AZ.: I ZR 72/11).
Kennzeichnungspflichten bei Elektrogeräten
Die Bestimmung des § 7 Satz 1 ElektroG stellt insofern eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4Nr. 11 UWG dar, als sie den Schutz der Mitbewerber vor einer Belastung mit höheren Entsorgungskosten infolge nicht gekennzeichneter Elektrogeräte durch andere Marktteilnehmer bezweckt (BGH, Urteil v. 9. Juli 2015, Az. I ZR 224/13).
Vorlage eines Energieausweises bei Verkauf oder Vermietung von Gebäuden
Ein Immobilienmakler ist gemäß § 5a Abs. 2 und 4 UWG verpflichtet, in einer Immobilienanzeige den Energieverbrauch des Gebäudes anzugeben, wenn ein Energieausweis vorliegt. Dazu muss die Anzeige die in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 EnEV angeführten Angaben enthalten (BGH, Urteil v. 5. Oktober 2017, Az.: I ZR 232/16).
Vertriebsbeschränkungen aufgrund des Jugendschutzes
Die Vertriebsbeschränkungen des Jugendschutzrechts für Waren und Dienstleistungen sind Marktverhaltensregelungen (BGH, Urteil v. 18. Oktober 2007, Az.: I ZR 102/05).
Zulassung von Pflanzenschutzmitteln
Die Zulassungsbestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes sind zum Schutze der Verbraucher erlassen worden und damit (auch) dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (OLG Köln, Urteil v. 27. April 2005, Az.: 6 U 179/04).
Kennzeichnung von Textilien
Bestimmungen, die die Kennzeichnung von Textilprodukten regeln, stellen grundsätzlich dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelungen dar (BGH, Urteil v. 24. März 2016, Az.: I ZR 7/15).
Rücknahme- und Verwertungspflichten von Verpackungsmitteln
§ 6 VerpackG stellt eine Marktverhaltensregel dar. Die in § 6 VerpackV geregelten Rücknahme- und Verwertungspflichten wirken sich jedoch deutlich auf das Verhalten der Hersteller und Vertreiber auf dem Absatzmarkt aus (BGH, Urteil v. 29. Juni 2006, Az.: I ZR 172/03).
Angabe von Kraftstoffverbrauch und Emission von Kfz
Die den Herstellern und Händlern in § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass die von ihnen verwendeten Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraft- wagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 enthalten, stellt eine Marktverhaltensregel dar (BGH, Urteil v. 4. Februar 2010, Az.: I ZR 66/09).
Vorschriften im Hinblick auf die Werbung als Marktverhaltensregeln im Wettbewerbsrecht
Preisangabenverordnung
Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV, wonach derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV) auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben hat, stellt eine Marktverhaltensregel dar (BGH, Urteil v. 28. März 2019, Az.: I ZR 85/18).
§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV ist eine Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (BGH, Urteil v. 14. Januar 2016, Az.: I ZR 61/14). Nach Ansicht des Kammergerichts Berlin stellt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV keine Marktverhaltensregel dar (Urteil v. 21. Juni 2017, Az.: 5 U 185/16).
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGB-Klauselverbote der §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB stellen Marktverhaltensregelungen dar (BGH, Urteil v. 31. Mai 2012, Az. I ZR 45/11).
Die Bestimmungen des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB über den Gewährleistungsausschluss, des § 477 Abs. 1 BGB über die Garantieerklärung und der §§ 312c, 355 BGB über die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen Marktverhaltensregelungen (BGH, Urteil v. 31. Mai 2012, Az. I ZR 45/11).
Telemediengesetz
Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG stellt eine Marktverhaltensregel dar (BGH, Urteil v. 25. Februar 2016, AZ.: I ZR 238/14).
§§ 12, 13 TMG sind Marktverhaltensregeln (EuGH, Urteil v. 29. Juli 2019, AZ.: C-40/17; OLG Hamburg, Urteil v. 27. Juni 2013, Az.: 3 U 26/12; OLG Köln, Urteil v. 11. März 2016, Az.: 6 U 121/15).
§ 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a §§ 1, 3 und 4 EGBGB sind Marktverhaltensregelungen (vgl. BGH, Urteil v. 29. April 2010, Az.: I ZR 66/08; OLG Hamm, Urteil v. 19. November 2013, Az.: 4 U 65/13).
Berufsspezifische und -rechtliche Vorschriften als Marktverhaltensregeln im Wettbewerbsrecht
Genehmigungspflicht für Krankentransporte
§ 18 RettG NW ist eine Marktverhaltensregel. Die in dieser Vorschrift geregelte Genehmigungspflicht für Krankentransporte im Sinne des § 2 Abs. 2 RettG NW regelt nicht nur den Marktzutritt, sondern zugleich auch das Marktverhalten zum Schutze der transportbedürftigen Kranken und der Mitbewerber, die Krankentransportwagen mit erheblichen Aufwendungen anschaffen und geeignetes Personal beschäftigen müssen (OLG Hamm, Urteil v. 17. November 2005, Az.: 4 U 105/05).
Genehmigungspflicht für Versicherungsvermittlung
Die Bestimmung des § 34d GewO ist eine Marktverhaltensregel (BGH, Urteil v. 28. November 2013, Az.: I ZR 7/13).
Werbeverbote gem. JMStV
§ 4 Abs. 2 JMStV und § 184c StGB sind Markverhaltensregelungen (BGH, Urteil v. 18. Oktober 2007, Az.: I ZR 165/05).
Werbeverbote u.a. des HWG
Bei § 3a HWG handelt es sich um eine Marktverhaltensregel (BGH, Urteil v. 30. März 2006, Az.: I ZR 24/03).
§ 27 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist Marktverhaltensregel (LG Dortmund, Urteil v. 21. April 2016, Az.: 16 O 61/15).
Preisbindung für Arzneimittel
Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV stellen Marktverhaltensregeln dar (BGH, Urteil v. 9. September 2010, Az.: I ZR 193/07).
Kennzeichnung für Arzneimittel
Die Bestimmung des § 10 AMG stellt eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG dar (BGH, Urteil v. 13. Dezember 2012, Az. I ZR 161/11).
Verbot der Abgabe von Arzneimitteln ohne Rezept
Das in § 48 AMG geregelte Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung ist eine Marktverhaltensregel (BGH, Urteil v. 8. Januar 2015, Az.: I ZR 123/13).
Verbindlich festgesetzte Preise bei Personenbeförderung
Sinn und Zweck der Regelung in § 39 Abs. 3 PBefG ist es u.a. unbilligen und ruinösen Wettbewerb unter den jeweiligen Personenbeförderungsunternehmern zu verhindern. Hierbei handelt es sich um eine Marktverhaltensregel (LG Hamburg, Urteil v. 15. September 2015, Az.: 312 O 225/15).
Die Bestimmungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 PBefG sind Marktverhaltensregeln (BGH, Urteil v. 18. Oktober 2012, Az.: I ZR 191/11).
Mindestpreisvorschriften für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte, Architekten u.a. freie Berufe
Bei den Mindestpreisvorschriften des RVG handelt es sich um Marktverhaltensregeln (zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz: BGH, Urteil v. 1. Juni 2006, Az.: I ZR 268/03).
Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ hat der Zahnarzt innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dies stellt eine Marktverhaltensregelung dar (OLG Köln, Urteil v. 14. Dezember 2012, Az.: 6 U 108/12).
Verbot der engen Kooperation zwischen Arzt und Apotheker
§ 11 ApoG ist eine Marktverhaltensregel (OLG Karlsruhe, Urteil v. 14. Juni 2013, Az. 4 U 254/12).
Berufsordnungen der Ärzte
Bei den Vorschriften der Berufsordnungen für Ärzte handelt es sich um Normen, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (OLG Köln, Urteil v. 04. November 2005, Az.: 6 U 46/05)
Steuer- und sozialrechtliche Vorschriften
Vorschriften aus den Bereichen des Steuerrechts und des Sozialrechts sind weit überwiegend keine Marktverhaltensregeln (BGH, Urteil v. 2. Dezember 2009, Az.: I ZR 152/07; BGH, Urt. v. 1. Dezember 2016, Az.: I ZR 143/15). Eine der Ausnahmen betrifft das Verbot zur Abgabe unter dem Kleinverkaufspreis nach § 24 TabaksteuerG (OLG Frankfurt, Beschluß v. 2. Juni 2004, Az.: 6 W 79/04), da es sich hierbei um eine Preisvorschrift handelt.
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