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LG München zur Unterlassungserklärung bei Rechtsmissbrauch
Unterlassungserklärungen können bei Rechtsmissbrauch gekündigt werden. Eine Geltendmachung der Vertragsstrafe im Nachhinein ist dann nicht mehr möglich.

8. Mai 2017

Unterlassungserklärung Rechtsmissbrauch
(Bild: © ilkercelik - Fotolia.com)

In der Praxis ist der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs bei Abmahnungen häufig schwer. Es müssen zahlreiche Informationen gesammelt werden, die einen Rechtsmissbrauch beweisen. Oftmals ist das Sammeln der benötigten Informationen äußerst zeitaufwendig und nicht innerhalb der Frist, in der die Unterlassungserklärung abgegeben werden soll, möglich.

Wie sich ein Unternehmen dennoch im Nachhinein gegen die abgegebene Erklärung wehren könne, entschied das Landgericht München mit Urteil vom 31. Januar 2017 (Az.: 33 O 20356/15).

Soweit sich nach der Abgabe einer Unterlassungserklärung der Rechtsmissbrauch der Abmahnung herausstellt (§ 8 Abs. 4 S. 1 UWG), könne die Unterlassungserklärung gekündigt werden. Ein Anspruch auf Geltendmachung der Vertragsstrafe für die Vergangenheit bestehe aber laut LG nicht, denn auch diese Forderung sei rechtsmissbräuchlich.

Abmahnung gegen 70 aufgelistete Versicherungsvertreter eines Prinzipals

Im zu entscheidenden Fall standen sich zwei Unternehmen gegenüber, die Versicherungen und Finanzdienstleitungen vertrieben. Die Beklagte c. F. AG hatte auf einer Internetseite Versicherungsvertreter mit ihren Kontaktdaten aufgelistet. Die Auflistung erfolgte jeweils auf einer separat einheitlich gestalteten Unterseite mit eigenem individuellen Impressum. Die Versicherungsvertreter wurden allerdings vermehrt als Versicherungsmakler bezeichnet.

Das gegnerische Unternehmen mahnte nun etwa 70 aufgelistete Versicherungsvertreter individuell ab und forderte die Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten.

LG München: Massenabmahnung unzulässig

Das Landgericht München entschied nun allerdings, dass die Massenabmahnung im vorliegen Fall rechtsmissbräuchlich sei. Sie verstoße gegen die Vorgaben des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, welcher die Unzulässigkeit wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen umfasst.

Nach dieser Norm liegt ein Rechtsmissbrauch insbesondere dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt. Für einen Rechtmissbrauch müssen diese Ziele zudem die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung darstellen, so das Landgericht.

Rechtsmissbrauch: Günstigere und gleich wirksame Mittel standen zur Verfügung

Ein Indiz für einen Missbrauch ist auch, dass dem Anspruchsberechtigten schonendere Mittel zur Verfügung stehen, als die, die er nutzt. Ein weiteres Indiz liegt vor, wenn der beauftragte Anwalt das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibt, insbesondere Wettbewerbsverstöße erst ermittelt oder den Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistellt.

Im vorliegenden Fall sei es der Klägerin möglich gewesen, sich gegen den Prinzipal – die c. F. AG – zu wenden und allein diese abzumahnen. Dieses Vorgehen sei nach Ansicht des LG die schonendere und nicht minder effektive Variante. Auf diesem Weg hätte sie auch nicht das Gebührenrisiko von insgesamt 52.150 Euro tragen müssen.

Bezeichnung als Versicherungsmakler nur geringer Wettbewerbsverstoß

Auch der Grund für die Abmahnung spiele bei der Rechtsmissbräuchlichkeit eine Rolle. Die Angabe im Impressum, es handele sich um einen Versicherungsmakler – und eben nicht um einen Versicherungsvertreter – sei als eher geringer Wettbewerbsverstoß einzustufen. Denn das angesprochene Publikum differenziere in den meisten Fällen nicht die zwischen Versicherungsmakler und –vertreter.

Forderung von Vertragsstrafenansprüchen ebenfalls rechtsmissbräuchlich

Auch die verfolgten Vertragsstrafeansprüche aus § 339 S. 2 BGB in Verbindung mit der jeweiligen Unterlassungserklärung sei unzulässig. Die Kündigung des Unterlassungsanspruchs wirke nur für die Zukunft, sodass ein etwaige Vertragsstrafenanspruch aus der Vergangenheit grundsätzlich weiterbestehe.

Allerdings verstoße die Geltendmachung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei ebenfalls rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.

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