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OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 14. März 2019, Az.: 6 U 134/15
Auch YouTube-Werbung für Kfz muss Angaben zu Verbrauchs- und Emissionswerten enthalten.

14. März 2019

Rechtsprechung Wettbewerbsrecht
(Bild: sergign)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.06.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Pflichtangaben nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung im Rahmen eines Werbevideos.

Die Klägerin ist Generalimporteurin für Marke1-Fahrzeuge. Sie warb am 17.2.2014 mit einem von ihr auf YouTube veröffentlichten Videoclip für zwei Neufahrzeuge („Marke1 Fabrikat1“ und „Marke1 Fabrikat2“). In dem Video selbst erscheinen keine Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen der beworbenen Fahrzeuge. Solche erschienen erst bei Anklicken des Buttons „mehr anzeigen“. Hinsichtlich des Inhalts des Werbevideos wird auf den Screenshot, Anlage B3 und das Video, Anlage B4 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.2.2014 mahnte der Beklagte die Klägerin ab.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Die von der Klägerin ursprünglich erhobene negative Feststellungklage haben die Parteien erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet auf dem Portal www.YouTube.com für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Informationen zum Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen), des Modells Marke1 Fabrikat1 und/oder des Modells Marke1 Fabrikat2 jeweils mit Motorisierungsangaben zu werben, ohne zugleich deren Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs in kombinierten Testzyklus und deren Werte der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen in kombinierten Testzyklus anzugeben und sicherzustellen, dass dem Empfänger der Werbung diese Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem auf der Internetseite erstmalig Angaben zur Motorleistung der beworbenen Personenkraftwagen gemacht werden, wenn dies geschieht wie in den Videoclip “ Marke1 TV-Spot: …“ auf der Internetplattform www.YouTube.com am 17.2.2014, wiedergegeben wie folgt:

(Von der Darstellung des nachfolgenden Bildes wurde aus technischen Gründen abgesehen – die Red.)

Außerdem hat das Landgericht die Klägerin zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Klägerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Die Klägerin bestreitet die Aktivlegitimation für die Widerklage. Der Beklagte erfülle nicht die Eintragungsvoraussetzungen für eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG. Der Klage stünde auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Der Beklagte verschaffe sich mit massenhaften Abmahnungen eine Einnahmequelle. Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor. Bei der Plattform YouTube handele es sich um einen audiovisuellen Mediendienst im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2010/13/EU. Die Klägerin sei deshalb im Rahmen des streitgegenständlichen Videos von den Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen befreit. Anders als in dem der Entscheidung „YouTube-Werbekanal II“ des BGH zugrundeliegenden Fall gehe es hier nicht um ein Video, das Bestandteil eines Werbekanals sei.

Der Senat hat mit Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 29.3.2016 das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung des BGH im Revisionsverfahren I ZR 117/15 (BGH WRP 2018, 1476 – YouTube-Werbekanal II) ausgesetzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16.6.2015, Az.: 12 O 151/14, aufzuheben und die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt. Er wiederholt nicht nur den Gesetzeswortlaut. Der Antrag kombiniert zwar Merkmale der Tatbestände des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV („Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden“), der Anlage 4 Abs. II Nr. 2 zu § 5 („Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs … und der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus“) und Nr. 3 („sicherzustellen, dass dem Empfänger … die Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem … erstmalig Angaben zur Motorleistung … gemacht werden“). Er erschöpft sich jedoch nicht darin. Der Antrag ist auf Werbung im Internet auf der Plattform „YouTube“ beschränkt. Außerdem ist er auf die konkrete Verletzungsform (Anlage B3) bezogen. Im Übrigen wäre selbst ein gesetzeswiederholender Antrag unbedenklich, wenn der Antragsteller hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH GRUR 2012, 842 Rn. 12 – Neue Personenkraftwagen). So liegt es im Streitfall.

b) Der Beklagte ist prozessführungsbefugt.

aa) Bei ihm handelt es sich unstreitig um eine „qualifizierte Einrichtung“ i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen hat im Hinblick auf die im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfenden Klagebefugnis konstitutive Wirkung (vgl. BGH, Urt. v. 4.2.2010 – I ZR 66/09, Rn. 11 – Gallardo Spyder, juris).

bb) Es besteht entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Anlass, das Verfahren gemäß § 4 Abs. 4 UKlaG zur (nochmaligen) Klärung der Frage auszusetzen, ob der Beklagte die einschlägigen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt. An das Vorliegen begründeter Zweifel i.S. des § 4 Abs. 4 UKlaG sind strenge Anforderungen zu stellen, weil anderenfalls die effektive Durchsetzung der Ansprüche aus §§ 1, 2 UKlaGgefährdet wäre (vgl. BGH, a. a. O., m. w. N.). Derartige begründete Zweifel sind von der dafür darlegungsbelasteten Klägerin nicht hinreichend dargetan und auch nicht anderweitig ersichtlich. Die vorgetragenen Zahlen aus den Bilanzen der Jahre 2007 bis 2017, die sie zur Begründung des vermeintlich auf Gewinnerzielung gerichteten Geschäftsmodells heranzieht, lagen bereits dem Bundesamt für Justiz bei der jährlichen Überprüfung der Eintragungsfähigkeit vor und haben dort zu keinen Beanstandungen geführt. Die Überprüfung durch das Bundesamt dient gerade der Feststellung, ob die Eintragungsvoraussetzungen (noch) vorliegen und beinhaltet daher eine Überprüfung, ob die Einrichtung die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2018 – 13 U 12/18, Rn. 13 – juris). Die kontinuierliche Erhöhung der Einnahmen aus der Abmahntätigkeit bei gleichzeitig geringerer Erhöhung der Ausgaben dürfte dem Bundesamt nicht entgangen sein. Der Umstand, dass es eine Petition und einen Antrag eines CDU-Verbandes mit dem Ziel der Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Beklagten gibt, ist für sich genommen kein Grund, der Zweifel i.S. des § 4 Abs. 4 UKlaG begründet. Der Grund für diese Maßnahmen liegt in den vom Beklagten erwirkten „Diesel-Fahrverboten“, die politisch brisant sind.

c) Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht der von der Klägerin erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Weder die Abmahnung des Beklagten noch die Weiterverfolgung der Ansprüche mit der Klage sind gemäß § 2b UKlaG i.V.m. § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich.

aa) Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (BGH, Urt. v. 26.4.2018 – I ZR 248/16 – Abmahnaktion II).

bb) Dem Beklagten kann nicht vorgehalten werden, er übe eine umfangreiche Abmahntätigkeit aus und lasse sich dabei die Kosten der Abmahnungen erstatten. Der Beklagte ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen. Das Abmahnen von Verstößen gegen verbraucherschützende Normen gehört zu seinen im Interesse des Verbraucherschutzes liegenden satzungsgemäßen Aufgaben. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es ihm im Streitfall vorrangig um die Generierung von Kostenerstattungs- und Vertragsstrafeansprüchen geht. Die vorliegende Abmahnung richtet sich gegen die deutsche Generalvertretung eines weltweit tätigen Automobilkonzerns wegen fehlender Angaben in zwei Werbevideos. Es handelt sich nicht um einen einfach zu beurteilenden Bagatellverstoß. Vielmehr waren schwierige europarechtliche Fragen zu klären. Hierfür beansprucht der Beklagte pauschalierte Abmahnkosten in Höhe von 245,00 €. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, der Beklagte habe vorrangig im Kostenerstattungsinteresse gehandelt.

cc) Soweit die Klägerin dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Erwägungen im Rechtsstreit vor dem OLG Stuttgart (Az. 2 U 165/16, siehe Anlage K19) einen Rechtmissbrauch deswegen vorwirft, weil er die aus seiner Marktverfolgung erzielten Gewinne für sachfremde Zwecke einsetzen würde und damit eine missbräuchliche Quersubventionierung von vom UKlaG umfassten hin zu UKIaG-fremden Zwecken vornehme, greift auch dies nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass auch das OLG Stuttgart diesem Argument mit ausführlicher Begründung entgegengetreten ist. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass derartige, (unterstellte) Bestrebungen des Beklagten im hier zu entscheidenden Fall eine maßgebliche Rolle spielen konnten. Dass für die konkrete Rechtsverfolgung eines vom Kläger seinem Satzungszweck entsprechenden, geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sachfremde Erwägungen überhaupt maßgeblich sind, lässt sich den allgemein gehaltenen Vorhaltungen der Klägerin nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass der Beklagte über einen längeren Zeitraum hinweg aus seiner Marktverfolgungstätigkeit – stetig ansteigende – Überschüsse erzielt, genügt nicht, um ihm die Verfolgung sachfremder Ziele als beherrschendes Motiv seiner Rechtsverfolgung zu unterstellen. Wie auch das OLG Stuttgart angenommen hat, ist ein planmäßiges auf Gewinnerzielung bzw. Quersubventionierung gerichtetes Handeln nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte sich auf einfach zu gewinnende Bagatellverstöße konzentriert oder es auf überhöhte Erstattungsansprüche anlegt.

dd) Der Rechtsstreit war entgegen der Anregung der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz auch nicht bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren I ZR 149/18 auszusetzen. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung sind nicht erfüllt. Ob rechtmissbräuchliches Verhalten vorliegt, erfordert – wie bereits dargestellt – eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. BGH GRUR. 2019, 199, Rn. 21 – Abmahnaktion II). Ein möglicher Rechtsmissbrauch in dem Stuttgarter Verfahren indiziert damit keinen Rechtsmissbrauch für das vorliegende Verfahren.

2. Dem Beklagten steht gegen die Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8I, 3, 3a, (4 Nr. 11 a.F.), 5a II Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und 2 Pkw-EnVKV zu. Die Klägerin hat gegen ihre Verpflichtung verstoßen, bei der in Rede stehenden Werbung auf YouTube Angaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der beworbenen Fahrzeuge zu machen.

a) Die den Herstellern und Händlern in § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass die von ihnen verwendeten Werbeanzeigen Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 enthalten, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWGnF (BGH WRP 2018, 1476 Rn. 21 – YouTube-Werbekanal II). Zugleich handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne von § 5a II UWG. Die in § 5 Pkw-EnVKVaufgestellte Informationspflicht hat ihre Grundlage in der RL 1999/94/EGvom 13.12.1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen. Der deutsche Gesetzgeber hat zulässigerweise von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, solche Pflichten auch außerhalb der „Werbeschriften“ iSd Art. 1 Nr. 9 RL 1999/94/EGfür elektronische Dienste zu regeln. Auch eine Regelung, die sich als die Umsetzung einer im Unionsrecht inhaltlich vorgesehenen Option darstellt, findet daher ihre Grundlage im Unionsrecht (vgl. Senat, Beschl. v. 6.12.2018 – 6 U 196/17, Rn. 10 – juris).

b) Das Landgericht hat zu Recht und von der Berufung unbeanstandet angenommen, dass in dem angegriffenen Werbevideo zwei „Modelle neuer Personenkraftwagen“ i.S.d. § 2 Nr. 15 Pkw-EnVKV beworben werden. Die Werbung betrifft die Modelle „Marke1 Fabrikat1“ und „Marke1 Fabrikat2“.

c) Bei dem YouTube-Video der Klägerin handelt es sich um „Werbematerial“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Pkw-EnVKV. Nach § 2 Nr. 11 Pkw-EnVKV ist Werbematerial jede Form von Informationen, die für die Vermarktung und Werbung für Verkauf und Leasing neuer Personenkraftwagen in der Öffentlichkeit verwendet werden; dies umfasst auch Texte und Bilder auf Internetseiten. Ersichtlich werden Texte und Bilder auf Internetseiten lediglich beispielhaft genannt, so dass der Begriff des Werbematerials auch im Internet abrufbare Videos umfasst (BGH aaO Rn. 25).

d) Die Beklagte ist nicht von der Pflicht, Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen zu machen, nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 Pkw-EnVKV befreit. Danach sind Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2010/13/EU von der Pflicht ausgenommen, den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen anzugeben.

aa) Nach der Leitentscheidung des BGH „YouTube-Werbekanal II“ waren weder das dort streitgegenständliche Werbevideo noch der von der dortigen Beklagten betriebene YouTube-Kanal als audiovisueller Mediendienst im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i der Richtlinie 2010/13/EU anzusehen. Dafür ist erforderlich, dass für den Kanal ein Mediendienstanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und sein Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit ist. Der Hauptzweck des vom BGH zu beurteilenden YouTube-Kanals bestand nicht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze i.S.d. Richtlinienbestimmung, sondern in der Werbung zu rein kommerziellen Zwecken. Soweit ein Werbevideo Zuschauer auch informieren, unterhalten oder erziehen kann, geschieht dies nur mit dem Ziel und als Mittel der Werbung (BGH aaO Rn. 35).

bb) Nach Ansicht des BGH konnte in dem Einstellen des dortigen Werbevideos auch nicht das Betreiben eines audiovisuellen Mediendienstes im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziffer ii der Richtlinie 2010/13/EU gesehen werden. Dafür ist erforderlich, dass es sich um Bilder mit oder ohne Ton handelt, die einer Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten sind. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung (BGH aaO Rn. 38).

cc) Die genannten Voraussetzungen liegen auch im Streitfall nicht vor. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die BGH-Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es hier nicht um einen YouTube-Kanal gehe, in dem das Werbevideo platziert sei. Das vorliegende Video sei Teil des Gesamtangebots bei YouTube, wobei YouTube als audiovisueller Mediendienst anzusehen sei.

(1) Diese Argumentation ist schon deshalb verfehlt, weil das vom BGH zu beurteilende Video ebenfalls auf der Plattform YouTube eingestellt und damit Teil des Gesamtangebots war. Wäre die YouTube-Plattform selbst ein audiovisueller Mediendienst, wären alle dort abrufbaren Videos Teil des Mediendienstes, unabhängig davon, ob sie auch einer bestimmten Unterrubrik mit Werbezweck zugeordnet sind. Es mag zutreffen, dass die Plattform YouTube nicht vornehmlich Werbezwecken dient. Es ist auch richtig, dass der BGH und der – von ihm vorab befragte – EuGH in erster Linie auf den YouTube-Kanal und seinen Werbezweck abgestellt haben. Der Hauptzweck eines Werbevideokanals, wie er in Rede stand, könne nicht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit gesehen werden (EuGH GRUR 2018, 321 Rn. 21, 24 – Peugeot Deutschland GmbH/DUH e. V.). Gleichwohl war das Video nicht nur Teil des Werbekanals, sondern auch Teil des allgemein abrufbaren Angebots der Plattform YouTube. Weder der EuGH noch der BGH gingen davon aus, es handele sich bei dieser Plattform um einen audiovisuellen Mediendienst.

(2) Außerdem fehlt es auch an dem Erfordernis eines Anbieters, der die redaktionelle Verantwortung für den Mediendienst trägt. Die Betreiber der Plattform YouTube üben keine redaktionelle Verantwortung für die dort eingestellten Videos aus. Sie stellen lediglich Dritten Speicherplatz für das Einstellen von Videos beliebiger Inhalte zur Verfügung. Es liegt schon begrifflich kein Mediendienst vor. Ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf ist nach Art. 1 Buchst. g) der Richtlinie ein Dienst, der den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendienstanbieter festgelegten Programmkatalog bereitstellt. An einem vom Betreiber der Plattform festgelegten Programmkatalog fehlt es.

dd) Es spielt auch keine Rolle, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag das identische Video im Fernsehen ausstrahlen ließ. Insoweit mag das Video in eine Sendung eingegliedert sein, für die ein Mediendienstanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit ist. Soweit das Video auf der Plattform von YouTube erscheint, ist dies nicht der Fall.

ee) Schon gar nicht ist das Video der Klägerin einer „Sendung“ gegen Entgelt beigefügt, vergleichbar einer Fernsehwerbung. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für die Beifügung zur „Sendung“ YouTube eine Gegenleistung in diesem Sinn erbringt. Sie nutzt YouTube lediglich als Plattform, auf der jedermann kostenlos Videos einstellen kann. Die Videos werden nicht zu einem Gesamtprogramm verbunden.

e) Die Klägerin ist ihrer Informationspflicht bei den streitgegenständlichen Videos nicht nachgekommen. Nach den Feststellungen des Landgerichts werden bereits auf dem ersten Bild des Videos Angaben zur Motorisierung der Fahrzeuge gemacht. Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen fehlen hingegen. Sie erscheinen erst bei Anklicken des Buttons „mehr anzeigen“.

f) An der Relevanz des Verstoßes im Sinne von § 5a II 1 UWG bestehen vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung keine Zweifel und werden auch nicht geltend gemacht.

g) Eine EuGH-Vorlage ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht veranlasst. Die hier maßgeblichen Fragen sind durch die BGH-Entscheidung „YouTube-Werbekanal II“ und die vorausgegangene Vorabentscheidung des EuGH geklärt. Die von der Klägerin zusätzlich aufgestellten Rechtsfragen unterliegen nach Auffassung des Senats der acte-clair Doktrin, weshalb es einer Vorlage nicht bedarf.

3. Der Beklagte kann auch die Abmahnkostenpauschale beanspruchen (§ 12 I S. 2 UWG). Die Abmahnung war berechtigt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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