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OLG Köln, Urteil v. 07.12.2018, Az.: 6 U 95/18
Die Zugabe von Serviceartikeln durch einen Apotheker im Rahmen einer Bestellung kann zulässig sein.

7. Dezember 2018

Rechtsprechung Wettbewerbsrecht
(Bild: sergign)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 04.05.2018 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 285/17 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H.v. 100 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist die gerichtsbekannte Wettbewerbszentrale. Er ist aktivlegitimiert i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Der Beklagte betreibt eine Apotheke, über die er u.a. Impfstoffe anbietet. Diese bewarb er gegenüber Ärzten mit einem Katalog „A Impfstoffe“. Der Katalog enthielt ein Bestellformular, mit dem der Arzt ab 100 Impfdosen neben den Impfstoffen unentgeltlich „Serviceartikel“ / Applikationshilfen – Kanülen Gr. 18 (1 Pack. / 100 Stk.), Kanülen Größe 16 (1 Pack. / 100 Stk.), Injektionspflaster (1 Pack. / 100 Stk.), Alkoholtupfer (in praktischer Box), Kanülensammler (1,5 L) – mitbestellen konnte. Der Apothekenverkaufspreis dieser Artikel lag zwischen 2,22 € und 3,22 €, ihr Gesamtwert bei rund 13,00 €.

Der Kläger hat in dieser Werbung einen Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG und §§ 299a, 299b StGB gesehen. Auf eine entsprechende Abmahnung hin hat der Beklagte sich bereit erklärt, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, jedoch nur bezüglich der Bestellung von Impfdosen, die den Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen. Dies hat der Kläger als unzureichend abgelehnt; eine solche Unterlassungserklärung wäre bedeutungslos, weil – was unstreitig ist – die überwiegende Anzahl der Impfstoffe nicht preisgebunden sei.

Der Kläger hat beantragt,

I. den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

wie nachstehend für Impfstoffe mit der Gewährung von „Serviceartikeln“ zu werben:

II. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 267,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2018 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, die Werbegaben seien zulässig, da es sich nur um Gegenstände von geringem Wert handele. Die vom BGH gezogenen Wertgrenze von 1,00 € gelte vorliegend nicht, da es nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel gehe und Angehörige der Gesundheitsberufe angesprochen seien. Durch die Formulierung „bitte auswählen“ sei deutlich, dass der Arzt je Bestellvorgang jeweils nur einen Serviceartikel auswählen könne. Die Geringwertigkeitsgrenze gelte für jedes einzelne verordnete Arzneimittel. Zudem sei eine Beeinflussung der Ärzte als Angehörige des Heilberufs schlicht ausgeschlossen.

Mit Urteil vom 04.05.2018, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Die vom BGH bei der Zuwendung an Verbraucher gezogene Wertgrenze von 1,00 € sei auch gegenüber Angehörigen der Fachkreise zugrunde zu legen.

Mit seiner Berufung rügt der Beklagte eine Verletzung des Rechts. Das Landgericht habe verkannt, dass mangels abstrakter Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der adressierten Ärzte bereits keine nach § 7 HWG unzulässige Werbegabe vorliege. Bei Impfdosen im Wert von – insoweit unstreitig – 1.553,00 € bis 4.879,00 € gehe von den angebotenen geringwertigen Serviceartikeln keine entsprechende Gefahr aus. Die vom Landgericht zur Begründung in Bezug genommene Entscheidung des OLG Stuttgart sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Entscheidend für den Wert der Zuwendung sei auch nicht der Apothekenverkaufspreis, sondern der normale Einkaufspreis beim Großhändler pp. von 1,86 € bis 2,70 €. Außerdem gehe es um handelsübliches Zubehör; die Gewährung von solch geringwertigen Applikationshilfen als Zugabe zu den Impfdosen halte sich im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten. Schließlich sei die Rechtsprechung des EuGH zur Unanwendbarkeit der Arzneimittelpreisbindung auf ausländische Versandapotheken zu berücksichtigen, in deren Folge als Barrabatte getarnte Zuwendungen von bis zu 30,00 € auch vom Antragsteller unbeanstandet gewährt würden. Insoweit scheine sich das Verständnis von Geringwertigkeit geändert zu haben; es liege offensichtlich nicht mehr bei 1,00 €, sondern deutlich darüber.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 04.05.2018, Az.: 84 O 285/17, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugte und aktivlegitimierte Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 3a UWG, weder i.V.m. §§ 299a, 299b StGB noch i.V.m. § 7 HWG als Marktverhaltensvorschriften i.S.d. § 3a UWG.

1. Der Beklagte hat nicht gegen die Vorgaben der §§ 299a, 299b StGB verstoßen. Da Apotheker nicht zum Täterkreis des § 299a StGB gehören (s. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 299a Rn. 5), kann der Beklagte selbst nur den Tatbestand des § 299b StGB verwirklicht haben, der spiegelbildlich § 299a StGB entspricht. Tathandlung bei § 299b StGB ist das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines korruptiven Vorteils auf der Grundlage einer Unrechtsvereinbarung. Der Vorteil muss also als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung angenommen, versprochen oder gewährt werden, und es ist ein auf eine solche Vereinbarung gerichteter Wille des Täters erforderlich; nicht ausreichend ist eine Zuwendung zur Herbeiführung allgemeinen Wohlwollens ohne Bezug zu einer bestimmten Bevorzugung / Vorteilsgewährung im Wettbewerb gegenüber den Mittbewerbern (s. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 299b, § 299a Rn. 6, § 299 Rn. 22 ff.). Eine solche Unrechtsvereinbarung ist hier weder vom Kläger schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich.

2. Der Beklagte hat auch nicht gegen § 7 HWG verstoßen.

a) Bei der Auslegung des HWG ist die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel zu berücksichtigen, da diese eine vollständige Harmonisierung im Bereich der Werbung für Humanarzneimittel bezweckt und die Fälle, in denen Mitgliedsstaaten abweichende Regelungen erlassen dürfen, abschließend regelt. In Bezug auf die – hier vorliegende – Fachkreiswerbung setzt § 7 HWG die europäische Regelung im Wesentlichen richtlinienkonform um. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG eingreift. Art. 94 der Richtlinie verbietet gegenüber den zur Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln befugten Personen neben Prämien jedwede finanziellen oder materiellen Vorteile, wenn sie nicht geringwertig und für die ärztliche oder pharmazeutische Praxis von Belang sind. Die Richtlinie geht von einem strikt ökonomischen Zuwendungsbegriff aus: Erfasst sind sachliche Vorteile jeder Art, denen keine vollwertige Gegenleistung gegenübersteht. Die Ausnahmen vom Verbot sind nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen sowie mit Blick auf die bezweckt umfassende Abschirmung wirtschaftlicher Anreize für die bevorzugte Verordnung bzw. Abgabe von Arzneimitteln eng auszulegen. Von einer Geringwertigkeit ist nur auszugehen, wenn ein Einfluss auf das Verordnungs- und Abgabeverhalten bei typisierender Betrachtung aufgrund des niedrigen Verkehrswertes ausgeschlossen erscheint. Kumulativ, d.h. selbst bei Geringwertigkeit, müssen die Vorteile für die medizinische bzw. pharmazeutische Praxis von Belang sein (s. Mand/Rektorschek, Wertreklame für Arzneimittel, WRP 2015, 429, 430 f.).

Nach der Rechtsprechung des BGH (s. WRP 2014, 847 – Testen Sie Ihr Fachwissen, juris-Tz. 14 f.; WRP 2012, 1517 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT, juris-Tz. 29; s. auch Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 3a Rn. 1.230, m.w.N.) soll § 7 Abs. 1 HWG der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung begegnen, die von einer Wertreklame ausgeht, weil und soweit diese geeignet ist, ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken. Dabei ist auf die individuelle Beeinflussbarkeit der Zuwendungsempfänger abzustellen.

b) Nach diesen Grundsätzen ist hier zwar von einer Werbegabe i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG auszugehen, diese ist aber sowohl nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG als auch nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zulässig.

aa) Der Begriff der Werbegabe ist weit auszulegen und erfasst grundsätzlich alle unentgeltlichen geldwerten Vergünstigungen, die im Zusammenhang mit der Werbung für Heilmittel gewährt werden (s. BGH WRP 2011, 1590 – Arzneimitteldatenbank, juris-Tz. 15; Brixius in: Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 16). Der Beklagte bietet als kostenlose Zugabe zu den Impfdosen geldwerte Applikationshilfen im Wert von mindestens 1,86 € an.

Nach der Rechtsprechung des BGH (WRP 2014, 847 – Testen Sie Ihr Fachwissen, juris-Tz. 14 f.) kommt es für das Vorliegen einer Werbegabe ferner darauf an, ob ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet. Das grundsätzliche Verbot der Wertreklame soll nur solche Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken. Die beanstandete Werbung muss also den Adressaten veranlassen können, sein Verhalten bei der Beratung der Kunden gerade im Hinblick auf die Werbegabe zu deren Gunsten unsachlich zu ändern.

Das Bestehen einer abstrakten Gefahr kann bei richtlinienkonformer Auslegung allerdings nicht bereits allein im Hinblick auf die Geringwertigkeit der Werbegabe verneint werden, da dieser Punkt erst im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG berücksichtigt werden darf. Andernfalls könnte – unionsrechtswidrig – allein schon die Geringwertigkeit der Werbegabe und eine daran anknüpfende Ungeeignetheit, bei den Fachkreisangehörigen ein wirtschaftliches Interesse an der Abgabe des beworbenen Heilmittels zu wecken, aus dem Anwendungsbereich des Werbeverbotes herausführen, obwohl das Gesetz kumulativ verlangt, dass die Werbegabe für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang ist (s. Mand/Rektorschek, Wertreklame für Arzneimittel, WRP 2015, 429, 434). Im vorliegenden Fall genügt daher zur Feststellung der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall ein Arzt, der eigentlich etwas weniger als 100 Impfdosen benötigt, gleichwohl mehr bestellt, um z.B. kostenlos einen neuen Kanülensammler zu erhalten, und es dann auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser Arzt seine Beratung z.B. betreffend eine Grippeschutzimpfung gegenüber den Patienten ändert.

bb) Vom Verbot der Werbegaben für Angehörige der Heilberufe ausgenommen sind geringwertige Kleinigkeiten, wenn sie – wie hier – zur Verwendung in der ärztlichen Praxis bestimmt sind, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Fall, Satz 2 HWG. Geringwertige Kleinigkeiten sind Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint, wie insbesondere kleinere Zugaben, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen. Die Wertgrenze hat der BGH bei verschreibungspflichtigen Arzneimittel vor dem Inkrafttreten der Neufassung des HWG, das seit dem 13.08.2013 jegliche Werbegaben für preisgebundene Arzneimittel verbietet, bei 1,00 € pro Präparat gezogen, u.a. mit der Begründung, dass bei fehlendem Preiswettbewerb auch kleinere Zuwendungen leicht ins Bewusstsein des Verbrauchers treten und diesen dadurch zu nutzenmaximierenden Marktreaktionen veranlassen können (s. BGH WRP 2013, 1590 – Rezept-Prämie, juris-Tz. 9; BGH WRP 2013, 1587 – Rezept-Bonus, juris-Tz. 20). Ob vor dem Hintergrund dieser Begründung die Wertgrenze von 1,00 € überhaupt auf nichtverschreibungspflichtige Medikamente und die Fachkreiswerbung übertragbar ist (vgl. z.B. Mand in: Gröning/Mand/Reinhard, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 7 Rn. 185, 186), kann dahinstehen, da hier jedenfalls die Besonderheit zu berücksichtigen ist, dass die Werbegabe erst für die Bestellung von mindestens 100 Impfdosen gewährt wird. Selbst dann, wenn die Wertgrenze nicht für jede Impfdosis mit 1,00 € und mithin insgesamt mit 100,00 € in Ansatz zu bringen und zudem das Bestellformular gemäß der Ansicht des Klägers so auszulegen sein sollte, dass bei der Bestellung von 100 Impfdosen alle fünf angeführten Serviceartikel kostenlos mitbestellt werden können, wäre ein Wert der Werbegabe von (maximal) 13,00 € angesichts des hohen Einkaufspreises von (mindestens) 1.553,00 € ungeeignet, bei den angesprochenen Ärzten ein gesteigertes Interesse daran zu begründen, die betreffenden Heilmittel bevorzugt zu beziehen, anzupreisen oder abzugeben. Bei einer Werbegabe im Wert von (maximal) 0,8 % des Warenwertes ist nach der Lebenserfahrung ein relevanter Einfluss auf das Verordnungs- und Abgabeverhalten der Ärzte ausgeschlossen.

cc) Vom Verbot der Wertreklame ausgenommen sind ferner Werbegaben, die in handelsüblichem Zubehör zur Ware bestehen, § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG. Bei den Applikationshilfen handelt es sich um Zubehör, da sie der Hauptleistung in einer bestimmten Zweckbestimmung zugeordnet sind (vgl. Gröning in: Gröning/Mand/Reinhard, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 7 Rn. 236). Beim Impfen ist der Einsatz von Alkoholtupfer, Kanüle, Injektionspflaster und Kanülensammler unabdingbar; die Serviceartikel „dienen“ dem Impfstoff als Hauptleistung.

Das kostenlose Beifügen von Serviceartikeln bei der Bestellung von 100 Impfdosen – Kanülen und Injektionspflaster in Packungen mit jeweils 100 Stück – ist als handelsüblich i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zu werten. Handelsüblich meint nicht einen Handelsbrauch i.S.d. § 346 HWG. Vielmehr muss sich das Zubehör lediglich im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten halten. Die Norm ist offen für neue Gestaltungsformen, die noch keine allgemeine Gewohnheit sind, deren Etablierung aber kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht (s. Gröning in: Gröning/Mand/Reinhard, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 7 Rn. 237, m.w.N., u.a. auf BGH NJW-RR 1991, 1191; s. auch Senat GRUR-RR 2016, 424 – Fahrdienst zur Augenklinik II, juris-Tz. 31). Ungeachtet einer bisher fehlenden Verbreitung liegt bei der Bestellung von Impfstoffen im Wert von insgesamt mindestens 1.553,00 € die Zugabe von Impf-Zubehör im Wert von maximal 13,00 €, d.h. von unter 1 % des Einkaufwertes, im Rahmen der Entwicklung vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten, zumal die unentgeltliche Leistung vom Beklagten nicht als eine Besonderheit seines Angebotes herausgestellt wird. Die Auswahl-Auflistung liest sich weniger als Werbemaßnahme denn als Checkliste für das beim Impfen notwendige Zubehör.

Dass der Beklagte die Applikationshilfen erst ab einer Bestellmenge von 100 Impfdosen kostenlos abgibt und nicht auch für kleinere Mengen in entsprechend geringerem Umfang, steht der Bewertung als handelsübliches Zubehör nicht entgegen. Cent-Artikel wie Kanülen, Injektionspflaster und Alkoholtupfer werden nicht in Einzelverpackungen abgegeben, sondern nur in größeren Gebinden, so dass es sachlich und wirtschaftlich naheliegend ist, die Applikationshilfen erst ab einer entsprechenden Bestellmenge beizufügen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 22.000,00 €.

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Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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