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Rechtsmissbräuchlichkeit von Vielfachabmahnungen
OLG Hamburg: Vielfachabmahnungen bei einfach gelagerten und leicht zu ermittelnden Wettbewerbsverstößen können schnell rechtsmissbräuchlich sein.

15. August 2018

Vielfachabmahnung
(Bild: © eaglesky - Fotolia.com)

Das Rechtsinstrument der Abmahnung zeigt in Zeiten des Internets immer mehr Präsenz und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Doch längst nicht jede Abmahnung ist auch rechtmäßig.

Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 11. August 2016 (Az.: 3 U 56/15) entschieden, dass Abmahnungen basierend auf einfach gelagerten und leicht zu ermittelnden Wettbewerbsverstößen bei eigenem wirtschaftlichen Interesse rechtsmissbräuchlich sein können.

Vielfachabmahnungen wegen Verstoßes gegen die Health-Claims-Verordnung

Im Fall vor dem OLG Hamburg war der Betreiber einer Online-Apotheke von einer Mitbewerberin abgemahnt worden. Daraufhin gab der Betreiber der Online-Apotheke eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und beseitigte den Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (HCVO) auf seiner Website. Allerdings weigerte er sich die für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu tragen. Denn nach Ansicht des Betreibers der Online-Apotheke nutzten die Mitbewerberin und ihr Rechtsanwalt die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich.

Vielfachabmahnungen: Mitbewerberin versendet über 100 Abmahnungen

Das OLG Hamburg gab sodann der Widerklage der Online-Apotheke statt. In der Vergangenheit hatte die Mitbewerberin bereits weit über 100 Abmahnungen bei leicht erkennbaren Verstößen gegen die Preisangabenverordnung ausgesprochen. Bei den Abmahnungen vertrat sie stets derselbe Anwalt.

Das deutliche Missverhältnis zwischen dem geringen wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an den geltend gemachten Rechtsverstößen sowie ihrer begrenzten Einnahmesituation einerseits und dem erheblichen Kostenrisiko, das mit der Geltendmachung verbunden war, andererseits, lassen diese Abmahnvorgänge als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Der wirtschaftliche Vorteil in Form von Anwaltshonoraren ist im Wesentlichen auf Seiten des Drittwiderbeklagten eingetreten. Diese Sachlage führt zu dem Schluss, dass die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu gedient hat, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Gleiche Struktur der Vielfachabmahnungen als Indiz für Rechtsmissbräuchlichkeit

Im Streitfall spielte es keine Rolle, dass die Abmahnungen wirklich den Kernbereich des Sortiments der Mitbewerberin betrafen. Allein, dass die Abmahnungen in elf Fällen die gleiche Struktur hatten, sei ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit.

Rechtsanwalt ging es nicht um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs

Weiter bemängelte das Gericht, dass der Anwalt die Abmahnkosten direkt gerichtlich einklagte, ohne sich zuvor eines Androhungsbeschlusses zu bedienen. Die Abmahnungen seien also noch nicht ausreichend „scharf“ gestellt worden.

Dieses Vorgehen des Rechtsanwaltes zeigt ebenfalls, dass es ihm in erster Linie um die Abmahnkosten ging, nicht aber um die Durchsetzung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches.

Überprüfung der Abmahnungen lohnt sich

Das Rechtsinstrument der Abmahnung wurde geschaffen, um Wettbewerbsverstöße effizient und vor allem schnell und kostengünstig zu beseitigen. Immer wieder wird dieses Instrument jedoch auch rechtsmissbräuchlich genutzt. Kann ein solcher Rechtsmissbrauch nachgewiesen werden, so ist die Abmahnung rechtswidrig und der Abmahnende hat die zur Vertretung erforderlichen Kosten zu tragen. Es lohnt sich daher in jedem Fall, die Abmahnung nach dem Erhalt genau zu prüfen – insbesondere bevor man eine verpflichtende strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnet.

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Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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