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„Unser gesundes Wasser“ ist nicht unlauter
Die Mineralwasserindustrie hat eine juristische Niederlage gegen einen Wasserzweckverband erlitten: Der darf weiter über „gesundes" Wasser informieren.

17. Juni 2020

Geschäftliche Handlung Öffentliche Hand
(Bild: jirkaejc)

Die deutsche Mineralwasserindustrie ist im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen einen Wasserzweckverband vorgegangen. Dieser hatte auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Trinkwasser und Mineralwasser im Vergleich“ über die Qualität des von ihm im Ort eingespeiste Trinkwasser informiert und dieses u.a. als „gesund“ bezeichnet. Darin sah die Mineralwasserindustrie eine Verletzung des Wettbewerbsrechts. Denn gem. der sog. Health-Claims-Verordnung (HCVO) sind an gesundheitsbezogene Werbeaussagen sehr strenge Bedingungen geknüpft. So muss die Behauptung durch eine Behörde für Lebensmittelsicherheit wissenschaftlich anerkannt worden sein. Dies war vorliegend nicht der Fall.

OLG München verneint geschäftliche Handlung durch öffentliche Hand

Vor dem Landgericht Landshut war dieser Antrag noch erfolgreich und mündete in dem Erlass einer einstweiligen Verfügung zulasten des Wasserzweckverbands. Mit Urteil vom 7. Mai 2020 hat das OLG München die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung jedoch abgelehnt (OLG München, Urteil v. 7. Mai 2020, Az.: 29 U 769/20). Das Gericht sah in der Behauptung bereits keine „geschäftliche Handlung“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und auch keine „kommerzielle Mitteilung“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 S. 1 der HCVO.

Grundsätzlich ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Dieser Begriff ist sehr weit gefasst und hohe Anforderungen werden von der Rechtsprechung nicht gestellt.

Problematisch ist die Annahme einer geschäftlichen Handlung aber insbesondere dann, wenn die relevante Handlung von einem Träger der öffentlichen Hand vorgenommen wird. Der Wasserzweckverband ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts unzweifelhaft damit beauftragt, die Gemeindeeinwohner mit Trinkwasser zu versorgen. Das alleine würde jedoch noch nicht ausschließen, dass er (auch) geschäftlich gehandelt hat, als er den Beitrag erstellt hat.

Ermächtigungsgrundlage kann geschäftliche Handlung ausschließen

Die Münchner Richter sahen in dem Beitrag des Wasserzweckverbandes eine Information über die Qualität des Trinkwassers, wozu der Verband gesetzlich ausdrücklich ermächtigt und gem. § 21 TrinkwV sogar verpflichtet sei. Dem Verband ginge es also vornehmlich darum, seinen Informationspflichten nachzukommen, sodass das Lauterkeitsrecht gar nicht zur Anwendung komme. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die öffentliche Hand ihren Aufgabenbereich deutlich erkennbar verlässt oder ohne Rechtsgrundlage in den Wettbewerb eingreife.

Diese Überlegung unterstreicht der Senat dadurch, dass eine eventuelle Absatzförderung von Trinkwasser gegenüber Mineralwasser nicht beabsichtigt gewesen sei. Dies wäre aber für eine „kommerzielle Mitteilung“ im Sinne der HCVO zwingend erforderlich:

„Ungeachtet dessen enthält der angegriffene Text gerade keine Aussage, die dahingehend verstanden werden kann, dass die angesprochenen Leser mehr Leitungswasser konsumieren und damit den Absatz des Antragsgegners fördern sollen: Es geht dem Zweckverband ersichtlich nicht um den Verkauf von Wasser, sondern um die Information, dass das dort aus dem Hahn kommende Wasser bedenkenlos auch zu Trinken verwendet werden kann.“

OLG München, Urteil vom 7. Mai 2020, Az.: 29 U 769/20

Wenn Einwohner der Gemeinde aufgrund dieser Informationen zukünftig weniger Mineral- und mehr Leitungswasser trinken würden, sei das ein reiner Reflex, der aber nicht das Ziel des Wasserzweckverbands gewesen sei.

Auch öffentliche Hand kann weiterhin wettbewerbswidrig werben

Abschließend betonen die Richter des OLG München, dass die Entscheidung auch nicht im Widerspruch zu Entscheidungen eines weiteren Senats des Gerichts stehe. Mit Urteil vom 16. September 1999 (Az.: 6 U 2646/98) hatte das Gericht den Münchener Stadtwerken verboten, den Werbeslogan „Hängen Sie noch an der Flasche“ zu benutzen, als diese für ihr Trinkwasser im Vergleich zu Mineralwasser geworben hatten. Denn genau dies sei der entscheidende Unterschied: Wo der Wasserzweckverband hier (nur) seine Informationspflichten über die Trinkwasserqualität erfüllt hat, hatten die Münchner Stadtwerke klar erkennbar Werbung – und damit eine geschäftliche Handlung – vorgenommen.

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Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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