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Gesetz zur Bekämpfung von Abmahnmissbrauch tritt in Kraft
Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat Bundestag & Bundesrat passiert. Wir erklären die wichtigsten Änderungen im UWG.

20. Oktober 2020

Gesetz Missbrauch Abmahnung Wettbewerbsrecht
(Bild: Wavebreakmedia)

Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ hat nach dem Bundestag auch den Bundesrat passiert. Es soll helfen, ungerechtfertigte Abmahnungen sowie einen Abmahnmissbrauch insgesamt zu verhindern oder jedenfalls einzudämmen. Die Änderungen, insbesondere im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), sind dabei erheblich. Viele dieser Anpassungen erinnern an entsprechende Vorgaben auch im Urheberrecht.

Da eine Vielzahl der Änderungen bereits einen Tag nach Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten, dürften Fehler zu Beginn häufiger auftreten. Umso wichtiger ist ein erster Überblick über die wichtigsten Anpassungen.

Inhaltliche Anforderung an die Abmahnung im Wettbewerbsrecht

Die erste Änderung betrifft neue formelle Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung. In § 13 Abs. 2 werden nunmehr die folgenden fünf Kriterien aufgelistet, die in der Abmahnung „klar und verständlich“ angegeben werden müssen: 

  1. Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters, 
  2. die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3,
  3. ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
  4. die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
  5. in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.

Dies erinnert an den Kriterienkatalog des § 97a Abs. 2 UrhG, der mit dem „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ ebenfalls minimal angepasst wird.

Missbräuchliche Abmahnungen – Beispielkatalog soll Missbrauch leichter erkennbar machen

Auch die häufige Streitfrage, wann eine Abmahnung missbräuchlich ist, wird in der Gesetzesänderung adressiert und umfangreich berücksichtigt. So wird ein Katalog von sieben Fällen in den neuen § 8c UWG aufgenommen. Sofern einer dieser Fälle vorliegt, soll „im Zweifel“ die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung angenommen werden. Dies soll der Fall sein, wenn:

  1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zulassen,
  2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
  3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
  4. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden, 
  5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,
  6. mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder 
  7. wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Diese Fallgruppen sind grundsätzlich aus der Rechtsprechung bekannt. Neu ist, dass schon bei Vorliegen einer der Fälle eine widerlegliche Vermutung für die Missbräuchlichkeit besteht. Ob einer dieser Fälle aber tatsächlich verwirklicht wurde, wird weiterhin ein erheblicher Streitpunkt vor Gericht bleiben. Dies wird nur durch höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung im Detail näher konturiert werden können. Solange geht mit dieser Änderung eher eine größere Rechtsunsicherheit als bisher einher. 

Kein Aufwendungsersatz für Abmahnung im Wettbewerbsrecht bei bestimmten Verstößen 

Der Grundsatz, dass bei einer berechtigten und wirksamen Abmahnung der abgemahnte Rechtsverletzer für die Rechtsverfolgungskosten aufkommen muss, bleibt zunächst erhalten. Wie schon im Urheberrecht wird aber zunächst die Ausnahme gebildet, dass bereits Verstöße gegen die formellen Inhaltsanforderungen an die Abmahnung diesen Anspruch entfallen lassen. Gleiches gilt selbstverständlich auch wenn die Abmahnung ansonsten unberechtigt oder gar missbräuchlich ist. 

Neu ist hingegen, dass es nun für Mitbewerber sogar Sonderfälle gibt, in denen diese ihre eigenen Kosten nie ersetzt verlangen können. Dies gilt zum einen, wenn die Abmahnung Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien, also z.B. im Internet, betrifft. Es geht dabei um typische Fehler wie fehlerhafte Impressumsangaben oder Verstöße gegen die Widerrufsbelehrung für Verbraucher. 

Zum anderen soll kein Aufwendungsersatzanspruch mehr bestehen bei Abmahnungen aufgrund von Datenschutzverstößen bei Unternehmen und gewerblichen tätigen Vereinen mit weniger als 250 Mitarbeitern. 

Gegenanspruch des Abgemahnten 

Wo für den Abmahnenden in einer erheblichen Anzahl von Fällen die Möglichkeiten zum Aufwendungsersatz entfallen, erhalten die abgemahnten Rechtsverletzer hingegen mehrere Gegenansprüche. So erhalten die Abgemahnten eigene Ansprüche auf Ersatz der Rechtsverteidigungskosten in allen Fällen, in denen eine Abmahnung missbräuchlich ist oder nicht den formellen Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Dies macht eine Verteidigung gegen Abmahnungen deutlich aussichtsreicher und erhöht zugleich das Risiko für all diejenigen, die mittels Abmahnungen gegen Rechtsverstöße Dritter vorgehen wollen. 

Strengere Anforderungen, wer wettbewerbsrechtlich abmahnen darf 

Auch die Aktivlegitimation in § 8 Abs. 3 wurde erheblich verschärft. So müssen Wettbewerber um zukünftig Ansprüche geltend machen zu können, „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreib[en] oder nachfrag[en]“. Schon dies schränkt den Kreis der Anspruchsberechtigten etwas ein und macht die Prüfung für Mitbewerber, ob sie selbst gegen wettbewerbswidriges Verhalten ihrer Konkurrenten vorgehen können, schwieriger. 

Deutlich weitreichender sind jedoch die verschärften Anforderungen an Verbände. Diese sind nur noch anspruchsberechtigt, wenn sie die strengen Kriterien des neuen § 8b UWG erfüllen und sich in die „Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände“ beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eintragen lassen. Zu den Anforderungen gehört beispielsweise eine Mindestanzahl von Mitgliedern und Mindestdauer seit Geschäftsaufnahme. 

Da diese Liste auch online vom BfJ veröffentlicht werden muss, ist die Überprüfung der Abmahnberechtigung in solchen Fällen zukünftig erheblich erleichtert. 

Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht wird erheblich reduziert 

Auch bei Vertragsstrafen gibt es im neuen UWG erhebliche Änderungen. So wird zum einen die Vereinbarung von Vertragsstrafen für die Fälle, in denen es um eine erste Abmahnung wegen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder um Datenschutzverstöße geht, grundsätzlich untersagt (§13a Abs. 2 UWG). Dies gilt jedoch nur, solange in dem abgemahnten Unternehmen regelmäßig weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt sind. 

Darüber hinaus wird die Vertragsstrafe für eine Vielzahl von Fällen auf 1.000,00 € gedeckelt. Hierbei werden insbesondere Fälle nahe der Bagatellgrenze adressiert. Auch dies betrifft alle Unternehmen, die weniger als 100 Mitarbeiter haben. 

Sollte es hinsichtlich der Höhe einer fälligen Vertragsstrafe zum Streit kommen, ist zukünftig der abgemahnte auch ohne Einverständnis des Abmahnenden berechtigt eine Einigungsstelle nach § 15 zur Vermittlung anzurufen.  

Fliegender Gerichtsstand wird im Wettbewerbsrecht eingeschränkt 

Ebenfalls steter Quell für Diskussionen ist der sog. fliegende Gerichtsstand. Einerseits wird diesem zugutegehalten, dass er eine Professionalisierung der mit den Fällen beschäftigten Richtern erlaubt. Dies sorgt für vorhersehbarere und konstantere Rechtsprechung und verringert damit das Prozessrisiko. Andererseits wird vorgeworfen, dass es so dem Abmahnenden möglich ist, an einem ihm besonders günstigen Gericht zu klagen. 

Aus diesem Grund gibt es nun eine erhebliche Einschränkung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. In den meisten Fällen ist nun das Landgericht, in denen der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, für wettbewerbsrechtliche Klagen zuständig. Ausnahmen gibt es für Fälle, in denen dieser im Ausland sitzt oder die Rechtsverletzung örtlich innerhalb Deutschlands begrenzt geschehen ist.

Jedoch dürfen die Landesregierungen von mehreren Landgerichten ein einzelnes mit der Spezialzuständigkeit für Wettbewerbsstreitigkeiten bestimmen. Ob und in welchem Umfang dies geschehen wird, muss sich erst noch zeigen. Dies wäre jedenfalls eine effektive Methode, ein vollständiges Erodieren der Spezialkenntnisse im Wettbewerbsrecht bei den Gerichten zu verhindern. 

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Ihre Autoren

Die Autoren der Beiträge bei wettbewerb.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Wettbewerbsrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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